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Schnacken 4.0 - Inside Clubhouse

Seit ein paar Tagen geistert "hat mal jemand nen invite für mich..." oder "soooo elitär, nur fürs iPhone..." durch alle Kanäle. 

 

"Clubhouse" heißt die Lösung für die, die (noch) nur die Augenbrauen hochziehen und die Stirn in Falten legen. Clubhouse ist ein Audio-only-Kanal, ihr hört nur und könnt weder miteinander schreiben noch euch sehen. Sozusagen selbstgemachtes Klönschnackradio. 

 

DER neue und ausgesprochen hippe SocialMediaKanal. Ist das wirklich _die_ Zukunft von SocialMedia?

Das ruft nach einer Einordnung. 

 

Bitteschön.

Wer darf mitmachen?

Der Kanal macht das was schon ein paar Mal für einen zuverlässigen Hype geführt hat. Der Zugang ist nur per "invite" möglich. Irgendjemand muss also schon da sein und jemanden einladen. Wer neu Mitglied wird findet 2 invites vor. Zusätzliche können durch Aktivität "verdient" werden. Dazu weiter unten mehr. 

Voraussetzung ist außerdem ein iPhone, die App ist derzeit nur im Apple AppStore erhältlich. Es ist nicht ganz ungewöhnlich, dass Apps zunächst einmal für ein Betriebssystem entwickelt werden. Und meist ist das dann für iOS, also Apple. Ich kenne mehrere Apps (sogar einige meiner absoluten Favoriten), die zunächst dort erprobt werden. Deshalb muss nun niemand laut "Diskriminierung" rufen, das ist dann doch ein bisschen übertrieben. Es gibt im täglichen Leben viele Beispiele dafür, dass Zugänge begrenzt sind.

Durch die künstliche Verknappung der invites gab es in den letzten Tagen einen echten Hype. Den gab es aber schon mehrfach. Zum Beispiel bei Ello. Ist da noch wer? 

Warum setzt die CoronaWarnApp immer noch keine Gamification ein?

Vielleicht wäre der Hype per invite auch ne Strategie gewesen? +ironieoff

Wie ist das mit dem Datenschutz? 

Eine andere sehr laute Debatte (neben den invites und den iPhones) ist die um den Datenschutz. Wie WhatsApp möchte auch Clubhaus einen Zugriff auf eure Kontakte. Das könnt ihr vermeiden so lange ihr keine invites verteilt. Erst dann müsst ihr die Kontakte freigeben. 

Ich will hier nicht die Datenschutzdebatte führen, das ist ein eigenes Thema. 

Aber: können sich bitte alle, die WhatsApp auf ihrem Handy haben, bei diesem Thema zurückhalten? Die haben nämlich längst alle Kontakte freigegeben. 

Danke. 

Wie funktioniert dieses Clubhouse denn nun?

Ich habe euch hier ein paar Screenshots eingefügt. Es ist recht einfach in der Menüführung. Allerdings läuft auch nicht alles rund. 

Meine geteilte Ankündigung für einen Talk konnte nicht geöffnet werden. Ich hatte es auf mehreren Wegen probiert - leider ging es nicht, die Links führten ins Nichts. 

 

Ihr sucht euch einen Raum mit einem für euch spannenden Thema oder auch mit dem Titel "einfach quatschen" oder was auch immer euch gerade anspricht. Dort geht ihr hinein und hört zu. Ihr könnt euch melden und die Moderator*innen können euch aufs Panel in eine aktive Rolle bringen. 

Oder ihr macht gleich euren eigenen Raum auf und wartet darauf, dass andere zu euch kommen und zuhören oder mitreden. 

Wenn ihr eigene Räume eröffnet sammelt ihr weitere invites und könnt irgendwann einen "Club" aufmachen, dort finden sich Menschen mit ähnlichen Interessen und Themen.

Ihr folgt Menschen und Menschen folgen euch, das ist alles nicht revolutionär neu. In einer Seitenleiste könnt ihr sehen wer eurer Freund*innen online ist und in welchem Raum sie gerade sind. Und ihr könnt von dort zu einem privaten chat mit einer Person starten. 

 

Alle Gespräche sind ausschließlich live, es kann nichts aufgezeichnet werden. Also bin ich entweder in genau dem Moment da oder es ist vorbei. 

 

Welche Themen werden diskutiert? Wie ist die Stimmung?

Wie auf allen SocialMediaKanälen wird alles und nix diskutiert. Ein Schwerpunkt meiner Bubble (Digitalmenschen, Journalist*innen, Medien, Startups, Politik, Kommunen, Verbände...) war das Kreißen um die eigene Nase. Dieselben Debatten, die an anderer Stelle geführt werden werden auf Clubhouse mit denselben Menschen geführt.

Ja, es gibt auch zuweilen neue Mischungen, aber das ist eher selten. Es gibt wenig neue Begegnungen (wie zB auf twitter), es ist eher eine geschlossene Gesellschaft.

ein paar Themen könnt ihr in den Screenshots sehen, aber natürlich gibt es noch viel mehr.

 

Ich war eher abends länger dort, tagsüber hab ich immer nur mal kurz aus Interesse reingesehen bzw reingehört. Der Abend scheint die Hochzeit der Aktivität zu sein, auch der späte Abend.

Das kommt mir persönlich durchaus entgegen. Andererseits bin ich nach viele Stunden Onlinemeetings und ewigem Gerede abends froh, wenn endlich Ruhe ist.

 

Von der Struktur her ist es eher wie an einem Stammtisch in einer Kneipe, an den immer mehr Menschen kommen, weil entweder ein spannendes Thema diskutiert wird oder weil die cool kids of the block dort sitzen. Viele kommen und gehen, nur wenige bleiben während der gesamten Zeit. 

Ich habe selber drei Räume eröffnet. Diejenigen, die sich eingebracht haben oder länger geblieben sind, kannte ich bis auf eine Ausnahme alle vorher. Ja, wir hatten eine nette Zeit und an einem Abend haben wir statt einer mehr als zwei Stunden gequatscht, aber dieselbe Truppe hätten wir auch auf jedem anderen Kanal zusammenbekommen. Und vermutlich auch noch ein paar mehr. 

 

Es sind sehr viel mehr Männer als Frauen in dem Kanal unterwegs, das schlägt sich auch in den Räumen und in den Panels nieder. 

 

Dadurch, dass es ohne Bild ist ist es für viele eher das absacken am Abend, mit einem Drink in der Hand, manche (oder vermutlich viele) liegen schon im Bett. 

 

Das trifft gerade jetzt natürlich auf ein offenes Fenster - es finden keine Veranstaltungen statt, niemand ist abends unterwegs, außerdem ist es dunkel, kalt und nass. Da ist die Konkurrenz übersichtlich.  

Wie ist das mit Hass und Hetze?

In Amerika gibt es schon Erfahrungen damit, dass Menschen, die auf twitter und anderen Plattformen gebannt sind, sich dort sammeln. Das erscheint plausibel. Auch bei uns sammeln sich diejenigen, die mehr und mehr Probleme auf den anderen Plattformen bekommen bzw dort gesperrt werden. Auf Clubhouse gibt es kein Regulativ. Man kann Menschen aus Räumen entfernen, aber ist natürlich hinfällig, wenn alle dort derselben Meinung sind. 

Offenbar gibt es auch sehr viele sehr frauenfeindliche Debatten und Räume. Ich habe nicht aktiv danach gesucht, aber warum sollte das da anders als auf anderen Plattformen oder im analogen Leben sein?

Die Debatten um Hass und Hetze finden an vielen Stellen statt. Aber natürlich in Räumen, in denen sich eh alle einig sind. Hm. 

Wie wichtig ist Clubhouse für die politische Kommunikation?

Die Frage wie attraktiv der Kanal für mich ist die, die ich privat beantworte. Da lautet die Antwort "kein Bedarf". 

 

Aber wie wichtig ist der Kanal für die politische Kommunikation? Das ist die eigentlich spannende Frage für mich. 

Ich würde sagen, dass dieser Kanal so sehr Hubble ist und es auch bleiben wird, dass es nur sehr, sehr eingeschränkt für politische Kommunikation relevant ist. Er ist für die wichtig, die davon leben, dass sie als hip wahrgenommen werden. Dabei sein ist ganz wichtig, deshalb funktioniert der Hype mit den invites auch so gut.

Wer will nicht auch am Türsteher vorbei?

Letztendlich ist auch dieser Kanal wie der neue, hippe Club im analogen Leben: es wird viel darüber gesprochen, es ranken mystische Erzählungen darum, letztendlich ist es aber vor allem laut und eigentlich treffen sich nur die, die aus einem anderen Club weitergezogen sind.

So ungefähr sieht es bei Clubhouse auch aus.

Natürlich tummeln sich die "Influenzier" und Möchtegerns dort, alle in der Hoffnung, diesmal aber wirklich und echt mal ganz vorne dabei zu sein und viel Fame abzuholen.

Es gab natürlich auch sofort Räume, in denen Influenzertipps ausgetauscht wurden und natürlich waren Räume mit dem Titel "Monetarisierung" von Clubhouse Räumen begehrt. Auf Instagram ist es ja nicht mehr so einfach, schnell mal eben erfolgreich zu sein.

Ich frag mich nur was die Instaflüchtenden dort ohne MakeUp und Filter machen wollen. Je nun. Irgendwas wird ihnen einfallen. 

 

Aus der Politik und Medien haben sich alle mal blicken lassen und in mehr oder minder spontanen Räumen miteinander diskutiert. Da gab es dann durchaus die eine oder andere lustige Kombination - wo sonst finden sich Sascha Lobo, Anke Domscheide-Berg und Philipp Amthor nachts zum Plausch zusammen? Das ist aber die absolute Seltenheit. 

Normal sind eher Räume mit Menschen, die auch auf allen anderen Kanälen miteinander reden. 

 

Ein echter Bedarf besteht zum Netzwerken. 

Dank Corona bleiben uns gerade eine Menge sehr langweiliger Veranstaltungen erspart. Damit fallen aber leider auch die Möglichkeiten zum Netzwerken weg. Nicht alle schaffen es, das ins Digitale zu holen. 

Das geht, aber es hat sich noch nicht wirklich durchgesetzt.

An der Stelle scheint Clubhouse für ein paar Menschen einen Nerv zu treffen und ein Bedürfnis zu befriedigen. 

Es ist spontan, zwanglos, kann sehr entspannt sein. 

 

Ernsthaft neue Zielgruppen werden auf Clubhouse nicht erschlossen. 

 

Die breite Masse finden wir nach wie vor bei Facebook und Instagram, die jüngeren Menschen bei Instagram und TikTok, zuweilen auch bei Snapchat, die wichtigen internationalen Kontakte, die Bundespolitik und Presse treiben sich bei twitter herum. Auch twitter ist ja ein besonderer Kanal: er ist der mit Abstand kleinste Kanal in Deutschland, aber er ist in der Wahrnehmung sehr wichtig und der Kanal, der für die Medien als Quelle fungiert. Somit hat er, obwohl er klein ist, politische Relevanz. Er ist vor allem der Kanal, auf dem es einfach ist, außerhalb der Freund*innenliste zu kommunizieren. 

 

Für die politische Kommunikation hat Clubhouse keine Relevanz. 

Es ist eine sehr kleine Blase, die sich schon kennt und darüber spricht, dass sie in der Blase ist und das ja auch irgendwie blöd ist...

(Ich freue mich schon darauf, dass mir Menschen das Gegenteil erklären werden)

 

Für persönliche Kneipengespräche mit Wein im eigenen Bett zu Coronazeiten kommt er offenbar gerade zum richtigen Zeitpunkt.  

 

Wie lange gebe ich dem Kanal? - ein Fazit

Der Kanal wird seine Fans finden, die auch bei ihm bleiben.

 

Letztendlich wird der Hype aber spätestens mit steigenden Temperaturen und längeren Tagen irrelevant werden. Dann werden wir abends wieder draußen sein und uns freuen, dass wir zumindest dort endlich wieder Menschen treffen können.

 

Die Tatsache, dass die Gespräche nicht asynchron, sondern nur live zur Verfügung stehen, verhindert auch, dass eventuell spannende Dinge nochmal nachgehört werden können.

Gerade das macht übrigens auf den anderen Kanälen erst die Reichweite aus. InstaLive oder FacebookLive haben die größte Reichweite nach der Ausstrahlung über die Zeit hinweg. Das fällt auf Clubhouse komplett aus. Ob es genug Menschen gibt, die sich dann die Nächte um die Ohren schlagen wage ich mal zu bezweifeln. 

 

Für die politische Kommunikation fällt der Kanal raus. Er bietet weder zusätzliche Reichweite noch zusätzliche Zielgruppen. Alle sind auf allen anderen Kanälen zu treffen. Sinnvoller wäre, dort strukturierter und spannender zu kommunizieren. 

 

Der Trend zum Audio scheint eine Rolle zu spielen, aber das muss nicht über diesen Kanal gelöst werden. 

 

Mein Tipp ist, dass Clubhouse nun durch viele neue Nutzer*innen (die ja sogar aktiv sind, weil sie dann durch invites und anderes "belohnt" werden) aufgehübscht wird und in absehbarer Zeit sehr, sehr teuer aufgekauft wird. 

Facebook wird audio irgendwie integrieren und dann ist alles wieder wie vorher. 

 

Wer hält dagegen?

 

 

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